Letzte Aktualisierung:
23 April, 2008

JUNI

1900

 

Bilder von der Einschiffung des Ostasiatischen Expeditionskorps in Bremerhaven.

01. Juni, Freitag Fortsetzung des Tagebuchs von S. Tallerie:
"Gegen 5 Uhr hatten wir die erste Attacke des Tages von einer Pagode aus. die Kerls nähern sich ohne Furcht, dass man mit Ihnen handgemein wird. Einer hatte drei Kugeln im Leibe und schwang fortwährend den Säbel. Doch bald sanken vier zusammen; der Rest floh in die Pagode. Gegen 10 Uhr neuer Angriff von etwa 500 bis 600 Männern. Zwei Anführer fallen auf die ersten drei Schüsse, und als wir auf des Gros auf eine Entfernung von 400 Metern schossen und einige liegen bleiben, floh die ganze Heerde immer wirrer durcheinander gegen das Dorf.
Schwerter, Säbel, Lanzen müssen jetzt zurückgelassen und vernichtet werden, da wir genug an unseren Frauen und Verwundeten zu tragen haben. Die Frauen zeigen wirklich große Ausdauer und gehen mutig vorwärts. Die meisten sind schon ohne Schuhe; Kleider werden zerrissen, um damit die Wunden an den Füßen zu verbinden. aus Pfützen und Lachen wird getrunken, wo nur etwas Flüssiges zu haben ist.
Gegen 11 ½ Uhr: Die Boxer sammeln sich in großen Massen. Überall sieht man Fähnchen und Lanzen auftauchen, man sieht, dass sie uns eine Entscheidungsschlacht liefern wollen. Im ganzen haben wir circa 900 bis 1000 Mann um uns herum. Die meisten von uns sind demoralisiert und verlieren den Mut. Man verabschiedet und küsst sich und viele weinen, eine herzzerreißende Scene. Unsere Devise ist, alle Patronen zu verbrauchen und dann eine Kugel für sich zu sparen. Einer bittet den anderen, im Fall er nicht tot ist, mit einem Revolverschuß nachzuhelfen.
Auf zwei Seiten werden Kanonen aufgestellt, und schon ertönen die ersten Schüsse. Kugeln streifen über unsere Köpfe. Von uns rührt sich noch keiner. Man schaut mut- und hoffnungslos ins Leere. Die Boxer wollen sich nicht nähern. Wir nehmen die Bedienung der Kanonen und Bannerträger aufs Korn, welche einen Sprung in die Luft machen und dann auf die Erde fallen. Die Stimmung hebt sich bei uns. Wir rücken vor, und in 15 Minuten war der Feind verschwunden.
3 Uhr nachmittags: Energischer Angriff. Um uns herum ist alles schwarz. Da sich die Haufen in der Entfernung halten, wird wenig geschossen und wenig getroffen.
Gegen 5 Uhr tragen uns die Füße nicht mehr; die Verwundeten verschmachten und flehen um Wasser und ziehen den Tod dem Weitergehen vor. Es wird mitten im Sumpfland Halt gemacht; alle fallen erschlafft hin. Um 6 ½ Uhr rücken die Boxer im Halbkreis auf uns zu, schreien und heulen wie Bestien, erreichen uns aber mit ihren Schüssen nicht. Einige wagen sich nahe an uns heran, werden aber sofort niedergepfeffert. Sie bombardieren uns auch während der Nacht. Da wir in den Sümpfen herumgingen, mussten wir auch im Sumpfe schlafen. Man klappert vor Kälte."

Fortsetzung aus: Der „Boxeraufstand“ in China – Das Tagebuch des Gottlieb Brosi.
(Hrsg. von der Stadt Backnang, Stadtarchiv, Bernhard Trefz, Fr. Stroh Verlag, 2004)

Bewachen nun die am. Gesandschaft den am. MINISTER CONGER u. Haushalt. Wir leben gut, denn es ist alles sehr billig zu kaufen hier.

02. Juni, Samstag Fortsetzung des Tagebuchs von S. Tallerie:
"Morgens 2 ½ Uhr: Abmarsch in der Richtung auf Tientsin. wir sind fest entschlossen, da uns nur noch wenig Patronen übrig bleiben, unser Leben teuer zu verkaufen.
4 Uhr morgens: Ungefähr 40 Boxer stellen sich uns entgegen, nachdem wir aber zwei getötet und einige verwundet haben, entfliehen sie nach allen Richtungen. Wir finden zur großen Freude einen Kanal.
Um 7 Uhr sehen wir von weitem ein Boot, das auf unserer Seite des Kanals gezogen wird. Wir verstecken uns schnell. als das Boot in unsere Höhe kommt, nehmen wir es weg. Der Besitzer wollte uns nicht nach Tientsin fahren; aber wir zwangen ihn dazu. In einem Dorfe fanden wir zu essen, zu trinken und zu rauchen. alles freut sich des Lebens. Die Französinnen sind schon dabei, ein Modejournal zu kombinieren.
Gegen 2 Uhr langten wir endlich nach viertägigen furchtbaren Strapazen im französischen Konsulate in Tientsin an."
 03. Juni,
Sonntag
Pfingsten

Das kleine Detachement vom III. Seebataillon aus Tsingtau welches am 30. Mai in Tsingtau an Bord des Kreuzers "Kaiserin Augusta" gegangen war, trifft heute in Peking ein. Die Schutzwache besteht aus einem Offizier und 50 Mann.
Vizeadmiral Bendemann konzentriert den übrigen Teil des deutschen Kreuzergeschwaders bestehend aus "Hertha", "Hansa" und "Gefion" in Tsingtau.   

Fortsetzung aus: Der „Boxeraufstand“ in China – Das Tagebuch des Gottlieb Brosi.
(Hrsg. von der Stadt Backnang, Stadtarchiv, Bernhard Trefz, Fr. Stroh Verlag, 2004)

Wir haben nun unsre Posten regelmäßig auf gestellt. CAPT. MCCALLA, PAYMASTER' , ENSG. COURTNEY, 0 SERGT. STUART, CORPL. APPLETON u. PVTS. FLOWERS u. HIGGINS kehrten heute nach TAKU zurück. Die BOXERS werden immer gefährlicher es darf kein Europäer sich auf der Strasse in der Stadt sich unbewaffnet getrauen, sie würden ihn in Stücke reißen. Wir erwarten jede Nacht einen Angriff von den BOXERS, die sich in großen Haufen in u. außer der Stadt herum treiben. Die BOXERS bestehen, zum großen Teil, aus dem niedrigen oder armen Volke u. kommen vom Lande, um hier die Fremden zu morden u. Häußer nieder zu brennen.

04. Juni,
Montag
Pfingstmontag

Vize-Admiral Sir Edward Seymour lud als rangältester anwesender Admiral alle vor der Taku-Rhede liegenden Flaggen-Offiziere und Schiffskommandanten zu einer Besprechung, nachdem die Nachricht über die neuerliche Zerstörung der Bahnlinie Tientsin-Peking eintraf. Hierbei wurden folgende Punkte als Grundzüge des gemeinsamen weiteren Verhaltens aller anwesenden Mächte aufgestellt:
1. Die Mission der Befehlshaber ist eine friedliche und hat den Schutz von Leben und Eigentum der eigenen Conantionalen zum Zwecke.
2. Diese Mission ist gegenwärtig durchaus nicht gegen die chinesische Regierung gerichtet, mit welcher die einzelnen Staaten im Frieden stehen, sondern richtet sich vielmehr gegen eine Horde von Rebellen, Boxer genannt, welche die chinesische Regierung einzuschüchtern und stärker als letztere zu sein scheint.
3. Sollten die Rebellen sich stärker als die Regierung erweisen, dann ist es zum Schutz von Leben und Eigentum notwendig, die chinesische Regierung, soweit eben möglich, in der Aufrechterhaltung von Frieden, Gesetz und Ordnung zu unterstützen oder falls die chinesische Regierung untätig bleibt, auch ohne deren Mithilfe zu handeln.
4. Alle Schritte sollen in diesem Falle auf Wunsch oder mit Zustimmung der jeweiligen Gesandten und da die Interessen der Fremden im Allgemeinen bedroht sind, von den Befehlshaben in gegenseitigem Zusammenwirken erfolgen.
5. Vom Einvernehmen mit den Gesandten soll nur im Falle dass sie in Peking eingeschlossen seien, abgesehen und statt dessen auf Grund direkter Anfragen bei den Heimatbehörden und nur in sehr ernsten und dringlichen Fällen auch ohne letztere nach vorheriger gegenseitiger Aussprache vorzugehen.

In derselben Sitzung wurde nach Annahme der oben aufgeführten Punkte festgestellt, dass sich zur Zeit 428 Soldaten in Peking und 441 in Tientsin befanden. Weiterhin konnten noch 961 Mann ausgeschifft werden.

Auf Antrag des französischen Admirals Courejolles wurde gleichfalls beschlossen, im Falle der Unterbrechung der Verbindung mit Peking den Doyen des Konsularkorps in Tientsin (der französischen Generalkonsul Compte du Chaylard) durch eine Kollektivnote zu ersuchen:
"Die Consuln mögen dafür sorgen, thunlichst regelmässig Nachrichten von Peking zu erhalten -- ferners den Vicekönig von Tschili über die Sachlage zu unterrichten und ihn wissen lassen, dass zur Erhaltung von Friede und Ordnung in Tientsin wie auch zur Wiedereröffnung der Verbindung mit Peking Mannschaften gelandet, und ihn zur Cooperation der chinesischen Truppen auffordern". aus "Kämpfe in China" von Theodor Ritter von Winterhalder, A. Hartleben's Verlag 1902

In Tientsin trifft ein kleines Matrosendetachement unter dem Kommando des Kapitänleutnants Kühne (1. Offizier S.M.S. Kbts. "Iltis") ein. Das Detachement besteht aus 60 Mann von der "Kaiserin Augusta" unter Kapitänleutnant Kopp und Leutnant z.S. Franzius, sowie 30 Mann von der "Irene" unter Leutnant z.S. Mönch. 

Fortsetzung aus: Der „Boxeraufstand“ in China – Das Tagebuch des Gottlieb Brosi.
(Hrsg. von der Stadt Backnang, Stadtarchiv, Bernhard Trefz, Fr. Stroh Verlag, 2004)

Ein Chief Mashinist "PATERSON" kam heute mit der Bahn hier an, um die Lokomotive die, die BOXERS zerstört, wieder zu reparieren. Wir halten jede Nacht scharfe Wache. Die Chinesische Nachwächter haben eine Trommel oder Blech auf die sie schlagen, wenn sie ihre Runde machen, daß der Dieb sie höhren kann wenn sie kommen, auch praktisch?  

05. Juni, Dienstag Fortsetzung aus: Der „Boxeraufstand“ in China – Das Tagebuch des Gottlieb Brosi.
(Hrsg. von der Stadt Backnang, Stadtarchiv, Bernhard Trefz, Fr. Stroh Verlag, 2004)

Etliche Damen von unsrer Gesandschaft mit 4 Marine zu ihrer Wache ritten früh nach MACHAPU die Bahnstation, um von hier nach TIEN-SIN oder nach der Küste zu fahren, ehe es zu gefährlich hier wird. Als sie nach der Station kamen wurde ihnen mitgeteilt, daß die BOXERS die Bahnlinie zerstört u. die Schienen aufgerissen hätten. So kerten sie hieher zurück.
06. Juni, Mittwoch Der Kriegsrat der verbündeten Mächte, der aus den rangältesten Seeoffizieren besteht, beschließt die Verbindung mit Peking wieder herzustellen. Falls diese unterbrochen sein sollte, auch mit Hilfe der dazu notwendigen Truppen. 
07. Juni, Donnerstag Fortsetzung aus: Der „Boxeraufstand“ in China – Das Tagebuch des Gottlieb Brosi.
(Hrsg. von der Stadt Backnang, Stadtarchiv, Bernhard Trefz, Fr. Stroh Verlag, 2004)

Die BOXERS werden immer aufdringlicher. Sie haben sich in große Haufen versammelt. Abends maschieren sie in der Stadt umher, schwingen ihre Schwerter, Spieße u. dgl. u. rufen - (shaw, shaw quisaro) tötet alle fremde Teufel. Natürlich meinen sie damit alle Europäer.  

08. Juni, Freitag


Der deutsche Generalkonsul in Tientsin, Zimmermann schreibt an den kaiserlichen Gesandten in Peking:
Die Lage wird hier als sehr ernst angesehen. Die chinesischen Truppen scheinen in der Tat von Peking die Instruktionen erhalten zu haben, auf die Boxer nicht zu schießen. Man bezweifelt daher die bereits gemeldete Nachricht, daß General Nieh wirklich gegen die Boxer gekämpft hat, befürchtet vielmehr, daß die chinesischen Soldaten sich mit den Boxern vereinigen und gemeinsam gegen die Fremden vorgehen werden. Zur Beruhigung der hiesigen deutschen Kolonie und Entlastung des Freiwilligenkorps dürfte es sich empfehlen, an der bereits befürworteten Herbeorderung weiterer deutscher Truppen festzuhalten. Handel und Verkehr sind hier gänzlich ins Stocken geraten. Ein großer Teil der Dienerschaft der Fremdenbevölkerung und zahlreiche chinesische Angestellte der fremden Firmen sind flüchtig geworden. Die deutschen Kaufleute behaupten, schon erhebliche Geschäftsnachteile erlitten zu haben, sie befürchten große Verluste, falls die Ordnung und Verkehrssicherheit nicht alsbald wieder hergestellt werden sollten.
Der Bericht enthielt ferner den Hinweis, daß 3000 Mann unter dem Befehl von General Nieh, die bisher im Norden der Stadt gegen die Boxer gekämpft hatten, auf ausdrücklichen Befehl von Peking die Aktionen eingestellt hätten und sich in das Militärlager bei Lutai (nördlich von Tongku) zurückgezogen hätten.

Fortsetzung aus: Der „Boxeraufstand“ in China – Das Tagebuch des Gottlieb Brosi.
(Hrsg. von der Stadt Backnang, Stadtarchiv, Bernhard Trefz, Fr. Stroh Verlag, 2004)

Heute abend um 7 Uhr wurde ein CORPL. mit 10 Mann nach der medotistischen Mission, die etwa 2 km von den Gesandschaften entfernt in einem andren Stadtteile liegt, gesand, um dort die Missionare, u. die Leute die sich dort hin geflüchtet haben zu bewachen.

09. Juni, Samstag Fortsetzung aus: Der „Boxeraufstand“ in China – Das Tagebuch des Gottlieb Brosi.
(Hrsg. von der Stadt Backnang, Stadtarchiv, Bernhard Trefz, Fr. Stroh Verlag, 2004) 

CAPT. HALL, ein CORPL. u. 10 Mann, darunter ich, wurden heute Abend nach der Med. Mission gesand, um die dort sich befindliche Marine zu verstärken. Die Chinesen spotteten u. warfen Steine nach uns als wir durch die Stadt maschierten. Beide Seiten der Strasse waren dicht mit Chinesen gedrengt. Wir maschierten mit aufgepflanztem Bajonet durch die Haufen.
10. Juni, Sonntag

Um 9 Uhr 30 Minuten vormittags verlassen zunächst zwei Züge unter dem Kommando des britischen Vice-Admirals Seymour den Bahnhof von Tientsin. Im ersten Zug befinden sich 300 Engländer, 112 Amerikaner, 25 Österreicher und 40 Italiener, sowie chinesische Bahnarbeiter. Im zweiten Zug folgen weitere Engländer, Franzosen und Japaner.  Im Laufe des Nachmittags setzt sich dann auch das deutsche Landungskorps unter dem Kommando des Kapitäns zur See von Usedom von Tenku aus in Marsch, um sich mit der Expedition des Vice-Admirals Seymour zu vereinen. Kurz zuvor trafen noch 25 Seesoldaten vom III. Seebataillon unter Leutnant Wenzel ein. Das Landungskorps hat eine Stärke von 25 Offizieren und 527 Mann und führt vier Maschinengewehre mit. Da hierfür zunächst von den Chinesen keine Lokomotive zur Verfügung gestellt wird, bemächtigt sich das Landungskorps gewaltsam einer Lokomotive und fährt damit bis Yang-tsun. Während der Fahrt werden entlang des Bahndamms viele chinesische Truppenlager festgestellt. Um 7 Uhr abends vereinigt sich das deutsche Landungskorps mit den Truppen Seymours.

Fortsetzung aus: Der „Boxeraufstand“ in China – Das Tagebuch des Gottlieb Brosi.
(Hrsg. von der Stadt Backnang, Stadtarchiv, Bernhard Trefz, Fr. Stroh Verlag, 2004)

Die Mission ist ein Platz '/, Meile breit u. '/, Meile lang mit einer Mauer umgeben. Die Missionare befestigen den Platz u. wir verschanzen uns. Es befinden sich viele Europäer hier. Manche Missionare sind von ihren Missionen auswärts, hieher geflüchtet. Aus der Kirche hier haben wir eine kleine Festung gemacht, in die wir uns wenn es sein muß zurück ziehen werden.

11. Juni, Montag Der Kanzler der japanischen Gesandtschaft, Sugiyama, wird an einem Stadttor von regulären chinesischen Truppen ermordet.

Fortsetzung aus: Der „Boxeraufstand“ in China – Das Tagebuch des Gottlieb Brosi.
(Hrsg. von der Stadt Backnang, Stadtarchiv, Bernhard Trefz, Fr. Stroh Verlag, 2004)

Verschanzen uns immer stärker. Es sind schon viele Chinesischen Christen hieher geflüchtet u. sie erzählen schauerliches von den BOXERS. Manch kommen hier an, dene ihre ganze Familie gemordet worden ist. Die BOXERS gehen barbarisch mit den Christen um. Sie schneiden ihnen die Nase u. Ohren ab, reisen ihnen die Zunge aiig dem Maul, schneiden ihnen Riehmen Fleisch vom Leibe, kurz mattem sie auf die schauerlichste Weise zu Tote.
12. Juni, Dienstag  
13. Juni, Mittwoch Fortsetzung aus: Der „Boxeraufstand“ in China – Das Tagebuch des Gottlieb Brosi.
(Hrsg. von der Stadt Backnang, Stadtarchiv, Bernhard Trefz, Fr. Stroh Verlag, 2004)

Wir bekamen die Nachricht, daß CAPT. MCCALLA mit 2000 Mann zu unsrer Verstärkung auf dem Wege zu uns sei. Die 2000 Mann werden die Bahnlinie, die zerstört wieder reparieren u. fahrbar machen das natürlich eine lange Zeit in Anspruch nehmen wird.  
14. Juni, Donnerstag
Fronleichnam
 

Fortsetzung aus: Der „Boxeraufstand“ in China – Das Tagebuch des Gottlieb Brosi.
(Hrsg. von der Stadt Backnang, Stadtarchiv, Bernhard Trefz, Fr. Stroh Verlag, 2004)

Die Chinesischen Bande in der südlichen Stadt ausseit der großen (zweiten) Mauer (die große Mauer ist ganz nahe unsrer Mission) erhoben heute abend einen fürchterlichen Lärm u. ohrenzerreißendes Geschrei - "tötet, tötet alle ausländische Teufel". Die BOXERS machen jedermann rufen u. wer nicht ruft, den hauen sie einfach nieder. Zehn am. und 20 russische Marine maschierten heute zu einem chinesischen JOSS Temple (Götzenhaus)` u. kamen dort an, als eben die BOXERS die Chinesische Christen dort niedermetzelten. Sie erschossen 58 BOXERS u. trieben sie in die Flucht.

15. Juni, Freitag Fortsetzung aus: Der „Boxeraufstand“ in China – Das Tagebuch des Gottlieb Brosi.
(Hrsg. von der Stadt Backnang, Stadtarchiv, Bernhard Trefz, Fr. Stroh Verlag, 2004)
Die BOXERS zünden die Kirchen u. öffentliche Gebäude an. Nachts sehen wir große Feuer überall.
16. Juni. Samstag »Peking muss rasiert werden.« telegrafiert Kaiser Wilhelm II. an Reichskanzler Bernhard von Bülow.   
(Zitat aus: Mommsen, Imperialismus (1977), S. 133 f)

Auf Antrag des deutschen Vize-Admirals Bedenmann, wird nachfolgendes Ultimatum, an den Vizekönig von Tschili und den Kommandanten der Taku-Forts einstimmig, nur mit Ausnahme der Amerikaner, beschlossen:
"Die vereinigten Mächte haben seit Beginn der Wirren ohne Widerstand Detachements ans Land gesetzt, um ihre Staatsangehörigen und das diplomatische Korps gegen die unter dem Namen Boxer bekannten Rebellen zu beschützen.
Ganz zu Anfang haben die Repräsentanten der kaiserlichen Gewalt ihre Pflichten scheinbar verstanden und sichtliche Anstrengungen gemacht, die Ordnung wieder herzustellen. Gegenwärtig aber zeigen sie deutlich ihre Sympathien für die Feinde der Fremden, indem sie Truppen gegen die Eisenbahnlinien dirigieren und die Einfahrt in den Peiho mit Minen versehen. Diese Acte beweisen, dass die Regierung ihre feierlichen Verpflichtungen gegenüber den Fremden vergisst, und nachdem die Befehlshaber der vereinigen Streitkräfte die Verpflichtung haben, in fortwährender Verbindung mit den Detachements am Lande zu verbleiben, haben sie beschlossen, die Forts von Taku vorübergehend -- im Guten oder mit Gewalt -- zu besetzen. Der letzte Termin bis zu ihrer Uebergabe an die Alliirten ist bis 2 Uhr Morgens des 17. (Juni).
Vorstehendes wird gleichzeitig dem Vicekönig von Tientsin und dem Commandanten der Forts mitgetheilt werden."

                                                   Gezeichnet:
Hiltebrandt (Russland)                 James Bruce (England)                G. Casella (Italien)
Bendemann (Deutschland)           M. Nagamine (Japan)                   Kottowitz (Oesterreich-Ungarn)
Courrejolles (Frankreich)
17. Juni, Sonntag                                         aus "Kämpfe in China" von Theodor Ritter von Winterhalder, A. Hartleben's Verlag 1902

 

Die Taku-Forts werden von den ausländischen Truppen besetzt; nachdem sie sich zuvor schwere Gefechte mit der regulären chinesischen Qlng-Armee geliefert hatten.

Fortsetzung aus: Der „Boxeraufstand“ in China – Das Tagebuch des Gottlieb Brosi.  
(Hrsg. von der Stadt Backnang, Stadtarchiv, Bernhard Trefz, Fr
. Stroh Verlag, 2004)

Es scheint als ob eine ganze Rotte Teufel von der Hölle losgelassen wäre. Alle Abend zieht die fantastische Bande durch die Stadt u. verführen ein ohrenzerreissendes Geschrei.

 
Ein wohl einmaliges zeitgenössisches Dokument zu der Bescheißung der Takuforts: http://hdl.loc.gov/loc.mbrsmi/edmp.1965 (Ein schwarz-weiß Film, Dauer ca. 3:06 Minuten, Copyright: Thomas A. Edison; 16Aug1900; D16704)

 

 

 

 

 

 

 

 




Bestückung der Kanonenboote
welche an dem Bombardement der Taku-Forts teilgenommen haben

Nationalität Name   Stück verschossene
Munition
Summe
Deutschland "Iltis"

 

88 mm Schnelllader 4 658 5.022
37 mm Maschinenkanonen 8 1.190
Gewehrmitrailleusen 4 3.174
England "Algerine" 100 mm Schnelllade 6 zusammen
596
596
47 mm Schnelllade 4
37 mm Maxim 3
Frankreich "Lion" 138 mm 2 81 1.352
100 mm 2 71
37 mm Revolverkanonen 2 1.200
Russland "Bobr" 22,5 cm nicht Schnelllader 1 4 798
15 cm nicht Schnellader 1 62
9 cm nicht Schnelllader 6 202
67 mm Schnellader 1 30
37 mm Hotchkiss-Revolverkanonen 4 500
"Korejec" 20 cm nicht Schnelllader 2 100 1.303
15 cm nicht Schnelllader 1 68
9 cm nicht Schnelllader 4 150
2 1/2 Zöller Schnelllader 1 45
47 mm Hotchkiss-Revolverkanonen 2 340
37 mm Hotchkiss-Revolverkanonen 4 600
"Giljak" 120 mm Schnellfeuerkanonen 1 66 16.818
75 mm Schnellfeuerkanonen 5 857
47 mm Schnellfeuerkanonen 4 660
2 1/2 Zöller Schnellfeuerkanonen 1 235
37 mm Schnellfeuerkanonen 2 -
Mitrailleusen 2 15.000

Summe: 

77   25.889

 

Bestückung der Taku-Forts

  Nordwestfort Nordfort Südfort Strandbatterie Neues Fort Gesamt
a b c d e a b c d e a b c d e a b c d e a b c d e a b c d e
24cm Schnellladekanonen - - - - - - - - - - 2 2 2 2 2 - - - - - - - - - - 2 2 2 2 2
21cm Schnellladekanonen - - - - - - - - - - 2 2 2 2 2 - - - - - - - - - - 2 2 2 2 2
152mm Schnellladekanonen 1 1 1 1 1 3 3 3 3 3 - - - - - - - - - - - - - - - 4 4 4 4 4
150mm Schnellladekanonen - - - - - 1 1 1 1 1 2 2 2 2 2 - - - - - - - - - - 3 3 3 3 3
120mm Schnellladekanonen 2* "* 2* 2* 2* 2 2 2 2 2 - - - - - 4 4 4 4 4 - - - - - 8 8 8 8 8
6Zöller nicht Schnellfeuer 7 6 2 - - 6 5 2 1 1 4 4 - - - - - - - - 4 4 - - - 21 19 4 1 1
16cm nicht Schnellfeuer - - - - - - - - - - 4 4 - - - - - - - - - - - - -   4 4 - -
5 Zöller - - - - - - - - - - - - - - - 2 1 2 1 - - - - - - 2 1 2 1 -
8cm (nicht Schnellfeuer) 5 1 4 4 3 5 - 4 4 3 4 4 4 4 3 9 4 2 2 2 9 7 4 2 - 32 16 18 16 11
Gegossene Kanonen verschiedener Art 7 4 3 2 - 51 37 12 9 - - - - - - 7 4 - - - 4 3 - - - 69 48 15 11 -
Eiserne Vorderlader - - - - - 3 2 1 - - - - - - - 8 4 4 3 2 - - - - - 11 6 5 3 2
Bronzekanonan verschiedener Art 3 - - - - - - - - - - - - - - 7 - - - - 2 - - - - 12 - - - -
Gegossene Mörser 1 1 - - - 3 2 - - - - - - - - 1 1 - - - 2 1 - - - 7 2 - - -

Total:

177 118 63 51 33

 

18. Juni, Montag

Brand im belagerten Gesandtschaftsviertel von Tianjin.

Fortsetzung aus: Der „Boxeraufstand“ in China – Das Tagebuch des Gottlieb Brosi.
(Hrsg. von der Stadt Backnang, Stadtarchiv, Bernhard Trefz, Fr. Stroh Verlag, 2004)

Die BOXERS haben bis jetzt noch keinen Angriff auf uns gewagt.

19. Juni, Dienstag Es ergeht ein Ultimatum der kaiserlichen Qing-Regierung: Alle Ausländer sowie Personen, die sich aufgrund ihrer beruflichen oder religiösen Verbindungen zu Ausländern bedroht sehen, sollen Peking innerhalb von 24 Stunden in Richtung Tianjin verlassen.  

Fortsetzung aus: Der „Boxeraufstand“ in China – Das Tagebuch des Gottlieb Brosi.
(Hrsg. von der Stadt Backnang, Stadtarchiv, Bernhard Trefz, Fr. Stroh Verlag, 2004)

Die Chinesische Regierung gab allen den Gesanden u. Europäer um 5 Uhr abend den Befehl die Stadt binnen 24 Stunden zu verlassen, weil die fremden Mächte, die TAKU FORTS am 17th dieses Monats beschossen u. somit der Krieg erklärt sei. Die Gesanden hielten eine Versammlung in der SPANISHE Gesandschaft ab. Sie kamen zu dem Entschluß, die Stadt nicht zu verlassen, denn die Zeit wäre überhaupt zu kurz, die Frauen u. Kinder in 24 Stunden nach einem geschützten Orte zu bringen.

20. Juni, Mittwoch

Der Gesandte des Deutschen Reichs, Clemens Freiherr von Ketteler, wird in Peking auf offener Straße angegriffen und erschossen; die Belagerung und Beschießung des europäischen Gesandtschaftsviertels beginnt, in dem sich 473 Ausländer, 451 Soldaten und über 3000 chinesische Christen aufhalten.  













Fortsetzung aus: Der „Boxeraufstand“ in China – Das Tagebuch des Gottlieb Brosi.
(Hrsg. von der Stadt Backnang, Stadtarchiv, Bernhard Trefz, Fr. Stroh Verlag, 2004)

Der deutsche Gesande, Baron von KETTLER, der auf dem Wege nach dem JUNG-S1JAMEN (Kaiserlichern Palaste) war, wurde von einem DUNG-FU-SANG'9() Soldaten erschossen. Sein Dolmetscher, der bei ihm war, wurde schwer verwundet. Der Dolmetscher wurde nach unsrer Mission gebracht von Chinesischen Christen, BARON VON KETTLERS Leiche wurde nicht mehr gefunden. Der Krieg scheint nun auch uns erklärt zu sein. Wir 20 Marine in der Mission würden uns nicht sehr lange gegen die UberTnacht halten können u. so packte alles von hier auf, Missionare u. etwa 2000 Chinesen Christen u. maschierten nach den Gesandschaften. Wir ließen alles hinter uns, niemand von den Chinesen hatte mer als sie tragen konnten. Auf beiden Seiten der Strasse waren Marine aufgestellt, die uns von den Gesandschaften zu Hilfe gekommen waren, damit die BOXERS die Christen nicht angreifen konnten. Sobald wir 100 in von der Mission weg waren, drangen die BOXERS u. Chinesische Soldaten dort ein, plünderten u. steckten sie in Brand, wo bald drauf eine dicke Rauchsäule gen Himmel schlug. Wir sahen, daß sie die Mission an alle Ecke angezündet hatten. Wir kamen ohne Wiederstand in den Gesandschaften an. Die Marine haben sich schon tüchtig verschanzt u. die Strassen barakiert. Um 3 Uhr machten die BOXERS einen Angriff auf die Östreichische Gesandschaft, wurden aber von den Östreichern u. Franzhosen zurück geschlagen, wobei ein Franzhose getötet wurde.  
                                               

21. Juni, Donnerstag China erklärt den ausländischen Mächten offiziell den Krieg, die Boxer werden in ihrem Kampf von nun an durch kaiserliche Truppen unterstützt.

Fortsetzung aus: Der „Boxeraufstand“ in China – Das Tagebuch des Gottlieb Brosi.
(Hrsg. von der Stadt Backnang, Stadtarchiv, Bernhard Trefz, Fr. Stroh Verlag, 2004)

Die Gesandschaften liegen ziehmlich nahe zusammen gebaut u. umfassen etwa eine Meile viereck. Die Deutschen u. Amerikaner auf der Südseite bei der großen Mauer, die Franzosen, Östreicher u. Japanesen die Ostseite. Die Engländer u. Italener im Norden - die Russen u. Amerikaner im Westen. Es sind zusammen 400 Marinesoldaten aller Nationen hier, die das groß Terain bewachen müssen, dazu kommen noch welche Freiwilliche die Waffen haben u. zur Not noch eingreifen können. Die BOXERS machten einen Angriff auf die Östreichische Gesandschaft, trieben die Östreicher zurück, plünderten u. steckten dann die Gesandschaft in Brand. BOXERS u. GENERAL DU-FU-SANG mit seinem Heer haben sich verbunden u. kämpfen gemeinschaftlich gegen uns. Heute Abend machten die BOXERS einen Angriff auf die Holländische Gesandschaft im Westen wurden aber von uns Amerikaner zurück getrieben.

22. Juni, Freitag

 

The Germans to the Front! von W. Heise
veröffentlicht in Süsserott´s illustrierter Kolonialkalender 1912

Vom Marsch erschöpft das kleine Heer,
Kein Quell, kein Brunnen zeigt sich mehr,
Der Stiefel mahlt im gelben Sand;
Am Horizont glüht Feuerbrand,
Die Boxerbanden blieben fern,
Sobald der Abend niedersank.
Am Himmelszelt erglänzt kein Stern,
Und schleppend wird der Krieger Gang.
Wie sind sie doch so sterbensmüd'
Freund Jack ist gar so trüb' zu Sinn
Auch Galliens Sohn vergaß sein Lied
Die Russen ziehen stumm dahin.
Und Uncle Sam, sonst froh und laut,
Kein "Hail Columbia" singen will,
Verdrossen der Japaner schaut,
Ein müder Marsch, sonst Totenstill'!
Lord Seymour blickt so sorgenschwer;
Wie langsam nur die Truppe kroch! "
O, wäre mit dem braven Heer
Ich in Tientsins Mauern doch!" 
Doch ehe noch Tientsins Tor
Die Kriegerschar nimmt schützend auf,
Wächst aus der Dunkelheit hervor
Ein kampfentflammter Boxerhauf.
Verzagt die kleine Truppe schaut
Nach Rettung aus am Horizont.
Nur Feinde! — Da, Kommandolaut:
"The Germans to the Front!"
Sind auch die Deutschen noch so müd',
Der Ruf macht ihre Blicke hell,
Voll Siegeslust das Auge glüht,
Sie stürmen an die Spitze schnell.

Schon stehen sie im Kampfgewühl
Und fechten heiß und fechten brav,
Die Germans treffen gut ihr Ziel,
Ihr Stich und Hieb schafft ew'gen Schlaf.
Und sinkt auch mancher deutscher Sohn
Zu Tod getroffen ins Gefild,
Die Kameraden kämpfen schon
An seiner Statt wie Löwen wild. 
Die Boxer flieh'n. — Der Lärm verhallt;
Von Feinden ist die Walstatt leer. 
Doch wie ein Donnergruß erschallt
Das stolze Wort weit übers Meer.
Es überfliegt die Alpenwand,
Den Grenzwall und das Mauertor.
Und widerhallt im deutschen Land
Und tönt uns wie Musik ins Ohr 
O, Deutscher, schreib ins Herz dir tief,
Daß einst in banger Krieges-Qual
An andrer Völker Spitze rief
Dich Groß-Britanniens Admiral! 
Ja, an der Spitze sollst du stehn
Und schmieden selbst die Zukunft dir,
Wo andrer Völker Flaggen wehn,
Da leuchte stolz auch dein Panier!
Und wenn durch Schicksals Würfelfall
Die große Rechnungsstunde schlug,
Dann fordre dir vom Erdenball
Dein redlich Teil mit Recht und Fug.
Und sei's daß ein Strahl des Glücks ihn sonnt,
Stets, daß ein Strahl des Glücks ihn konnt,
Stets folg' der Losung Deutschlands Sohn:
"The Germans to the Front!"

 

 

Fortsetzung aus: Der „Boxeraufstand“ in China – Das Tagebuch des Gottlieb Brosi.
(Hrsg. von der Stadt Backnang, Stadtarchiv, Bernhard Trefz, Fr. Stroh Verlag, 2004)

Chinesische Soldaten rückten auf uns von Westen vor, (CHIN-MEN-GATE) . Sie schwärmten über die Mauer in unsre Gesandschaft u. wir mußten uns zurück ziehen. All unser Sachen auch die notwendigsten von der Gesandschaft haben wir schon nach der englischen Gesandschaft gebracht, denn sie ist die größte u. stärkste u. soll unser letzter Stand- u. Verteidigungspunkt sein. Die Frauen u. Kinder sind schon alle dort untergebracht. Wir trieben die Chinesen wieder zurück u. besetzten unsre Gesandschaft wieder. Die Holländische Gesandschaft wurde von den BOXERS geplündert u. nieder gebrannt. Ein Deutscher u. ein Engländer wurden heute getötet.

23. Juni, Samstag

Fortsetzung aus: Der „Boxeraufstand“ in China – Das Tagebuch des Gottlieb Brosi.
(Hrsg. von der Stadt Backnang, Stadtarchiv, Bernhard Trefz, Fr. Stroh Verlag, 2004)

Die Chinesen bracht[en] Artillery auf die Mauer u. bombadierten unsre Gesandschaft, schossen aber schlecht u. zu hoch, trotzdem sie nur etliche 100 m von uns entfernt waren. Ein Deutscher, ein Russe u. ein Italener wurde heute getötet.

24. Juni, Sonntag Fortsetzung aus: Der „Boxeraufstand“ in China – Das Tagebuch des Gottlieb Brosi.
(Hrsg. von der Stadt Backnang, Stadtarchiv, Bernhard Trefz, Fr. Stroh Verlag, 2004)

Die Chinesen rückten wieder vom Westen auf uns vor. Eben falls auf der großen Mauer die sich hinter unserer Gesandschaft hinzieht. Die Mauer ist etwa 15 m hoch u. am Boden 15 m breit, die sich dann nach oben ein wenig zuspitzt u. oben vielleicht 10 m breit ist, wo ein ganzes Regiment in Reih u. Glied maschieren kann. Die Mauer ist nur von innen ersteigbar, es ziehen sich fahrbare Wege hinauf, auf denen man mit Wagen auch Kanonen hinauf fahren kann. Solch ein Weg befand sich hinter unsrer Gesandschaft, ebenfalls bei der Deutschen. Wie vorhin erwähnt, rückten die Chinesen auf der Mauer vor u. konnten dann durch Schießlöcher, die oben auf der Mauer angebracht sind auf uns herunter schießen, wärend wir ihnen fast nichts anhaben konnten. Um 10 Uhr erstiegen die Deutschen auf dem Fahrwege hinter ihrer Gesandschaft die Mauer u. trieben die Chinesen zurück, mußten aber wegen dem Rauch u. der Hitze wieder weichen, die Chinesen haben alles um unsre Gesandschaft in Brand gesteckt u. wollen uns ausbrennen. Die Russische Bank die neben unsrer Gesandsch. liegt sowie ein Teil von unsrer Gesandschaft stehen in Flammen. Wir haben jetzt auch noch mit Feuer zu kämpfen u. kein Wasser, nur etliche Brunnen u. keine Apparate. Die Hitze u. Rauch sind fast unerträglich. SIR MC DONALD der engl. Gesande, der zum Oberbefehlhaber ernannt worden ist, gab unsrem CAPT. MEYERS  den Befehl die Chinesen von der Mauer zu treiben. CAPT. MEYERS u. 20 Mann von uns, rückten vor, erstiegen die Mauer u. trieben die Chinesen unter einem Regen von Kugeln u. Granaten zurück. Wir hatten nur etliche leicht Verletzte, denn die Chinesen schossen alle zu hoch. Die Hitze u. Rauch waren zu viel u. wir mußten uns wieder zurück ziehen. Um 1 Uhr rückten die Chinesen nochmals vor. Wir Am. u. 10 Deutsche erstiegen die Mauer u. trieben die Chinesen abermals zurück u. bauten nun eine BARRICADE über die Mauer damit wir ein wenig Schutz haben. Mit unsem Bayoneten  rissen wir die Steine von der Mauer u. verschanzten uns so gut es ging. Wir arbeiten unter einem Kugelregen, daß » uns das Blut von den Händen lief Wir haben viel Chinesen getötet u. verwundet, die jetzt auf der Mauer herum liegen. Begraben können wir sie nicht, keine Verwundete können wir auch nicht gebrauchen u. somit werfen wir sie einfach über die Mauer. Heute morgen wurde SAM KING ein am. Marine erschossen. Wir sandten Boten zu CAPT. MCCALLA um schleunigste Hilfe. Fochten die ganze Nacht mit den Chinesen auf der Mauer.

25. Juni, Montag Auszug aus dem Tagebuch Sr. Exzellenz Ching Shan zitiert in "China - unter der Kaiserinwitwe" von Bland, J.O P. & Backhouse, Berlin 1912
29. Tag des 5. Mondes – heut marschierten etwa sechzig Boxer unter der Leitung des Prinzen Tuan und Chuang und des Beilés Tsai Ying um 6 Uhr morgens zum Palast, um dort nach Konvertiten zu suchen. Als sie zum Tore des Palastes der "Friedlichen Langlebigkeit" gekommen waren, wo Ihre Majestät noch zu Bette lagen, schrien sie lärmend, der Kaiser solle herauskommen und beschuldigten ihn, er sei ein Freund der Fremden. Prinz Tuan war ihr Wortführer. Ich habe den Zwischenfall vom Hofmarschall Wen Lien gehört, der heut morgen im dienst war. Er war entsetzt über die tollkühne Unverschämtheit des Prinzen Tuan und glaube, dass er wahrscheinlich trunken war. Als der Alte Buddha den Lärm draußen und das Geschrei "man töte alle Teufelkinder" hörte – sie nahm gerade ihren Morgentee -, kam sie geschwinde heraus und stand auf der obersten Treppenstufe, während die Prinzen und die Boxerführer sich unter ihr im Hofe tummelten. Sie fragte Prinz Tuan, ob er sich vielleicht selber hier als Kaiser aufspiele, wenn nicht, wie könne er es wagen, sich in dieser tolldreisten, frechen Art zu gehaben? Er solle ein für allemal wissen, daß sie und sie allein die Macht habe, den Souverän zu ernennen oder abzusetzen und er möchte sich freundlichst daran erinnern, daß die Macht, die seinen Sohn zum Thronerben eingesetzt habe, ihn auch im Umsehen vernichten könne. Wenn er und seine prinzlichen Genossen dächten, daß sie, weil der Staat in einem Zustand augenblicklicher Verwirrung sei, ihren derartigen Neigungen freien Lauf lassen könnten, so irrten sie sich ganz gewaltig. Sie ersuchte sie, sich auf der Stelle zu entfernen und Abstand davon zu nehmen, jemals den Palastbezirk wieder zu betreten, ohne dazu aufgefordert zu sein. Zunächst aber sollten sie sich niederwerfen und die Verzeihung Sr. Majestät für ihr unverschämtes Benehmen erflehen. als leichte Strafe für ihr Vergehen befahl sie ferner, daß den Prinzen ein Jahreseinkommen in Abzug gebracht werde. Was die Boxerhäuptlinge anbelange, die es gewagt hätten in ihrer Hörweite solchen Skandal zu verursachen, so sollten Sie an Ort und Stelle enthauptet werden und Jung Lu's Wachen, die an den äußeren Toren Dienst hatten, wurde befohlen, den Richtspruch sofort zu vollstrecken. Ihre Majestät ist zurzeit derartig gegen die Boxer eingenommen, daß man allgemein annimmt. es werde Jung Lu gestattet werden, dem Angriff auf die Gesandtschaften Einhalt zu gebieten. Der Kaiser war sehr erregt über den Zwischenfall und, als er erledigt war, dankte er Ihrer Majestät ehrerbietigst für ihren gütigen Schutz.
Später. 9 Uhr abends. - Der Alte Buddha hat sich in ihrer Wut über Prinz Tuan und seine Genossen plötzlich entschlossen, dem Kampf in Peking ein Ende zu machen und hat genehmigt, daß Jung Lu sich in die Gesandtschaften begibt, um den Frieden zu besprechen. Heute um 6 Uhr nachmittags hörte das Feuer auf und Jung Lu begab sich an der Spitze seiner Truppen zu der nördlich des Gesandtschaftsviertels belegenen Brücke. Die Fremden kamen aus ihren Verstecken heraus und begannen zu verhandeln. Man zeigte ihnen eine Tafel, auf der geschrieben stand: "Es ist von der Kaiserinwitwe der Befehl erlassen, die Gesandtschaften nun pflichtgemäß zu schützen." Jung Lu hoffte es erreichen zu können, mit den fremden Ministern über die Wiederherstellung der Ordnung verhandeln zu können. Drei stunden lang ist kein Schuß gefallen, aber En Ming kam soeben, um mir mitzuteilen, daß die Situation sich wieder geändert hat und daß der Alte Buddha so gute Nachrichten über eine Niederlage der auf Peking marschierenden fremden Entsatztruppen erhalten hat, daß sie neuerdings beschlossen hat, dem Tun der Boxer freien Lauf zu lassen und "das Fleisch der fremden Teufel zu essen und auf ihren Häuten zu schlafen."

26. Juni, Dienstag

Fortsetzung aus: Der „Boxeraufstand“ in China – Das Tagebuch des Gottlieb Brosi.
(Hrsg. von der Stadt Backnang, Stadtarchiv, Bernhard Trefz, Fr. Stroh Verlag, 2004)

Die Chinesen haben die Ruinen u. die noch stehende Häußer besetzt. Sie feuern VOLLEYS200 nach uns wenn wir die Straße kreuzen um von unsrer Gesandschaft auf die Mauer zu gelangen. PVT. KUINN u. MÜLLER wurden verwundet als sie die Strasse kreuzten. Gem. GOLD auf der Mauer verwundet. SERGT. FANNING wurde auf der Mauer erschossen.

27. Juni, Mittwoch

Fortsetzung aus: Der „Boxeraufstand“ in China – Das Tagebuch des Gottlieb Brosi.
(Hrsg. von der Stadt Backnang, Stadtarchiv, Bernhard Trefz, Fr. Stroh Verlag, 2004)

Um Mitternacht machten die Chinesen einen Angriff auf uns von alle Seiten, am schwersten auf der Nordseite wo Russen u. Amerik. die Strasse besetzt haben, doch es gelang uns sie wieder zurück zu schlagen. Ein Ostreicher wurde auf der Ostseite getötet.  

28. Juni, Donnerstag Fortsetzung aus: Der „Boxeraufstand“ in China – Das Tagebuch des Gottlieb Brosi.
(Hrsg. von der Stadt Backnang, Stadtarchiv, Bernhard Trefz, Fr. Stroh Verlag, 2004)

Die Engländer machten einen Ausfall auf das CHEN-MEN Thor, um die Chinesischen Kanonen dort zu erobern, wurden aber von den Chinesen zurück geschlagen. Ein Russe wurde getötet. Unser kleiner Haufen schmilzt immer mer zusammen.
29. Juni, Freitag Fortsetzung aus: Der „Boxeraufstand“ in China – Das Tagebuch des Gottlieb Brosi.
(Hrsg. von der Stadt Backnang, Stadtarchiv, Bernhard Trefz, Fr. Stroh Verlag, 2004)

Unser Doktor (DR. LIPPITT) wurde in unserer Gesandschaft durch das Bein geschossen. Weil die Chinesen rings um uns sind u. immer auf uns rein schießen, weiß man gar nicht mer von woher eigentlich die Kugeln kommen. Es pfeipft immer in der Luft u. die Kugeln fliegen wie die Fliegen umher. Die machten wieder einen Angriff auf uns um die ganze Linie u. wir hatten 4 Stunde ein hartes Gefecht um sie zurück zuhalten. Schwere Verluste auf beiden Seiten, die Chinesen verloren sehr viele. ADMIRAL SYMORE, der uns mit 2000 Mann zu Hilfe kommen soll, soll nur 23 meilen von hier entfernt sein. -"Wenn es wahr ist' -.
30. Juni, Samstag Auszug aus dem Tagebuch Sr. Exzellenz Ching Shan zitiert in "China - unter der Kaiserinwitwe" von Bland, J.O P. & Backhouse, Berlin 1912
4. Tag des 6. Mondes. - Zur Stunde des Hundes (7 Uhr abends) - Kang Yi sprach heute vor und teilte mit mir die Abendmahlzeit. Er erzählte mir, daß Tung Fu-hsiang heute morgen Jung Lu aufgesucht und ihn um die Überlassung seiner schweren Artillerie gebeten habe. Jung Lu soll genügend ausgerüstet sein (mit dem Wu Wei chün, dem Verteidigungskorps gehörigen Geschützen), um jedes fremde Gebäude in wenigen Stunden in Trümmer zu legen.
Tung hatte an Jung Lu's Tor über eine Stunde zu warten und als er endlich vorgelassen wurde, begann er alsbald zu poltern, worauf Jung Lu so tat, als ob er schliefe. "Er gab seine Zustimmung nicht, sondern lehnte auf seinem Sitz und schlummerte" (Ein Zitat des Menzius)
Tung stellte Jung Lu alsdann wegen seiner Flegelei zur Rede, aber der Oberbefehlshaber lächelte nur und brach die Unterhaltung mit der Bemerkung ab, daß Tung's einzige Möglichkeit, die Geschütze zu erhalten die sei, den Alten Buddha zu überreden, ihm gleichzeitig Jung Lu's Kopf zu geben . "Verlange sofort eine Audienz", soll er gesagt haben, "sie hält dich für einen tapferen Mann und wird sicherlich jedem deiner Wünsche entsprechen."
Tung Fu-hsiang verließ ihn in rasendem Zorn und begab sich stracks nach der Verbotenen Stadt, obgleich die Stunde der Audienz längst vorüber war. Am Tor der Halle der Kaiserlichen Obergewalt (Huang Chi Tien) befahl er mit ungebührlichem Lärm den Eunuchen, Ihrer Majestät mitzuteilen, der Kansu Feldherr sei da und wünsche eine Audienz. Es traf sich daß der Alte Buddha, gerade eine Bambuszeichnung auf Seide entwarf und über die Störung ärgerlich war. Trotzdem wurde Tung vorgelassen und fiel auf die Knie. "Wohlan," sagte Ihre Majestät, "ich vermute, du kommst, um mir die völlige Zerstörung der Gesandtschaften zu melden? Das würde seit dem Ende des letzten Mondes zum zehntenmal sein." "Ich bin gekommen," erwiderte Tung Fu-hsiang um bei Ew. Majestät den Großsekretär Jung Lu als Verräter und Freund der Barbaren anzuklagen. Er hat die Geschütze, die mein Heer benötigt und mit ihrer Hilfe würde kein Stein im ganzen Gesandtschaftsviertel stehen bleiben. Er aber hat geschworen, diese Geschütze niemals zu leihen, selbst wenn Ew. Majestät es befehlen sollten." Der Alte Buddha erwiderte ärgerlich: "Schweig! Erstens warst du nichts anderes als ein Räuber, und als ich dir gestattete, in meinen Heeresdienst zu treten, so geschah es, um dir die Gelegenheit zu geben, deine früheren Schandtaten zu sühnen. Selbst jetzt noch benimmst du dich wie ein Brigant und vergißt die Majestät der Kaiserlichen Präsenz. Fürwahr, dein Maß ist bald voll! Verlasse den Palast auf der Stelle und la? dich hier nicht blicken, ohne zur Audienz befohlen zu sein."
Kang YI erklärt, die Gesandtschaften würden nimmer genommen werden, so lange Jong Lu's gegenwärtig großer Einfluß bei Hofe dauert. Li Shan, der ebenfalls in großer Gunst bei der Kaiserinwitwe steht, ist nun ebenfalls auf der Seite derer, die mit den Fremden Frieden machen möchten und ist deshalb von Na Tung angeklagt.
Folgende Proklamation ist jetzt in der ganzen Stadt angeschlagen, und zwar gemäß einem Befehle der Kaiserinwitwe an den Prinzen Chuang. Man sagt, sie beabsichtige die Belohnungen aus ihrer Privatschatulle zu bestreiten:
"Belohnungen.
Nun, da alle fremden Kirchen und Kapellen dem Erdboden gleich gemacht sind und den Fremden kein Zufluchtsort oder Versteck verblieben ist, müssen sie sich notwendigerweise zerstreuen und nach allen Richtungen fliehen. es sei daher allen Leuten verkündet, Gelehrten und Laien, daß ein jeder, der Fremden Asyl gewährt, sich die Strafe der Enthauptung zuzieht. Für jeden lebend ergriffenen fremden Mann wird eine Belohnung von 50 Taels, für jedes Weib 40 Taels, für jedes Kind 30 Taels zugesichert. Aber wohlverstanden, sie müssen lebend gefangen werden und echte Fremde sein. Wenn dieses festgestellt ist, so wird die Belohnung unverzüglich ausbezahlt. Eine Sonder-Verkündigung, die ehrfürchtigen Gehorsam erheischt."
Viel höhere Belohnungen als diese wurden im 10. Jahre Hsien-Fengs (1860) für die Köpfe der Barbaren gewährt, aber damals waren sie natürlich verhältnismäßig rar, während sie jetzt, leider, so gewöhnlich sind, wie Bienen!
Heute morgen fand ein bedeutender Prozeß vor dem Tore der Residenz des Prinzen Chuang unter dem Vorsitz von Yi Ki, Fen Che und Kuei Ch'un statt. Über 900 Leute wurden kurzerhand von den Boxern hingerichtet, in einigen Fällen sogar ohne genaue Feststellung ihrer Zugehörigkeit oder ihres Verkehrs mit den Fremden. Hilflose Säuglinge selbst wurden getötet. Fen Che ist ein roher Schlächter und der Alte Buddha machte dem Prinzen Chuang Vorstellungen, daß er die Boxer nicht besser in Ordnung halte.

Fortsetzung aus: Der „Boxeraufstand“ in China – Das Tagebuch des Gottlieb Brosi.
(Hrsg. von der Stadt Backnang, Stadtarchiv, Bernhard Trefz, Fr. Stroh Verlag, 2004)

Schlugen uns den ganzen Tag. Um Mitternacht machten die Chinesen einen wiederhohlten Angriff auf uns, doch es gelang uns sie immer wieder zurück zu schlagen. Gemeiner TUCHER wurde bei meiner Seite getötet. Wir haben nämlich Schießlöcher durch unsre Barrikade gelassen, je zwei Mann stehen Wache die ganze Nacht. Aufrecht stehen können wir nicht, denn die Barrikade sind nicht hoch genug, so liegen, hocken oder knien wir auf dem Pflaster Tag u. Nacht. Ich u. Tucher hatten Wache an der Schießscharte auf der Mauer, damit ein jeder gleich auf den Beinen, im Falle eines Angriff durfte keiner liegen, sondern mußte sitzend schlafen. Wenn der Mann auf Wache es nicht mer aushält mußte sein Nebenmann wieder so lange er konnte, Wache halten u.s.w. TUCHER erlöste~.Mich, kaum war er an der Schießscharte, da kam eine Kugel durch dieselbe u. traf in durch den Kopf Er fiel auf mich, ich saß neben ihm u. hatte natürlich schon geschlafen, er gab keinen Laut mer von sich. Unsre Nahrung wird ser knapp. Wir leben jetzt von Pferde u. Eselsfleisch u. Reis. Die Gesanden haben ihre eigene Pferde hier, die wir jetzt aufessen.